Bauernhaus H Isny
Artikel im Magazin "Servus in Stadt und Land"
Ein Kunstwerk im Allgäu - In reizvoller Alleinlage überrascht ein von Grund auf sanierter Bauernhof mit pfiffigen Details und nicht alltäglichen Bewohnern. Eine kleine Kunstgeschichte.
Text: THOMAS G. KONOFOL Fotos: Thomas Drexel
Text: THOMAS G. KONOFOL Fotos: Thomas Drexel
Das letzte Stück Weges geht man am besten zu Fuß. Und denkt, mitten im Allgäuer Sommer, an den Winter: Nein, hier, auf 900 Meter Höhe, möchte man nicht eingeschneit sein.
Der weite Blick auf das Wengener Tal ist erhaben zu jeder Jahreszeit. Aber jetzt streichelt das satte Grün der Wälder die Seele, erfrischt die reine, laue Luft das Herz. Das imposante Anwesen in der Nähe von Isny beherrscht die Landschaft. Seine charakteristische Schindelholzfassade mit flach gegiebelten Sprossenfenstern und roten Läden ist etwa 100 Jahre alt. Die Geschichte des ehemaligen Bauernhofes reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Die heutigen Eigentümer, Wirtschaftsanwalt Doktor Peter Heckel und seine Frau Angela, erwarben Haus und Grund von Friedrich Hechelmann, einem prominenten Maler des „Phantastischen Realismus“. Dieser hatte Scheune und Stall höchst eigenwillig in eine barocke Bühne verwandelt. Weil auch dieses theatralische Ambiente zur Geschichte des Hauses gehört, entschlossen sich die Käufer, so wenig wie möglich zu ändern. Da ahnten sie noch nicht, dass eine zweieinhalb Jahre währende Sanierungskur auf sie zukommen würde. Das Alte mit dem Neuen vermählen Architekt Andreas Dengg aus Kempten bewältigte diese Aufgabe mit Bravour. Er zeigt uns Säulen, die innen völlig hohl sind, glänzende Oberflächen, unter denen sich bis zu ihrer behutsamen Aufarbeitung bloß Spanplatten, „Brettle“ und Gips verbargen, schwere Steinböden, die auf morschen, fauligen Holzdielen lasteten – trotz aufwendiger Reparaturen dringt immer noch Feuchtigkeit ein. Die Welt des schönen Scheins, die nur flüchtige Reize kennt, ist nicht sein Ding. Seine Philosophie lautet: „Die historische Substanz erhalten oder, wenn es geht, wiederherstellen, den ursprünglichen Zustand sichtbar werden lassen, ihn jedoch modernen Standards anpassen.“ Kurz: mit gestalterischem Esprit das Alte mit dem Neuen vermählen. Der humanistisch gebildete Hausherr liebt die Literatur und sammelt Bücher. Er genießt das Leben auf dem Land als Gegenentwurf zum hektischen Berufsalltag in Frankfurt. Seine sympathische Frau Angela erzählt bei grünem Tee von ihrer Naturverbundenheit: „Ich mag dieses fast bäuerliche Leben, ich bin kein Schreibtischmensch.“ Lieber pflegt sie ihren Gemüse- und Kräutergarten und ihre Rosensträucher. Die gute Allgäuer Luft begeisterte sie von Anfang an. Im großzügigen Schwimmteich ist sie glücklich. Sie war es auch, die ihren zögernden Gatten dazu bewog, eine Immobilie zu kaufen, deren erheblicher Renovierungsbedarf selbst Laien klar sein musste. Im historischen Wohnbereich konnte kaum etwas so bleiben, wie es war. Die Eingangshalle, das Herzstück des Hauses, ergibt nun wieder ein schlüssiges Bild der originalen Konstruktion in sogenannter Holzblockbohlenbauweise. Man kann sehr gut nachvollziehen, wie die Bohlen einst gesteckt, verzapft und aufeinandergesetzt wurden. Das brachte eine Stabilität, die einem noch heute Respekt abnötigt. Spiel mit Reminiszenzen Holzböden, die vor lauter Schutt und Schimmel nicht zu retten waren, wurden durch neue, helle, besonders breite „dänische Bretter“ ersetzt. Noch brauchbare alte Bodenbretter kamen an die Decke, befestigt mit winzigen Schrauben, die das bloße Auge kaum wahrnimmt. Und die zwischen den ungleichmäßigen Bohlen der rekonstruierten Wände klaffenden Fugen sind mit Moos abgedichtet wie vor 300 Jahren. |
„Was im Haus vorhanden war, haben wir erst dann weggeworfen, wenn es wirklich nicht mehr benötigt wurde“, sagt der Architekt. Was fehlte, suchten er und Zimmermeister Günter Ratzka geduldig zusammen. „Da ist nichts, was Alter nur vortäuscht. Alles ist authentisch, ehrlich und echt.“ So wie die Bretter im Keller, auf denen früher Käselaibe reiften und heute Weine lagern. Oder die handgemachten Ziegelsteine, die in den Sanitärräumen neben Holz und Marmor eigene Akzente setzen. Als Stilmittel und oft auch als stützendes Element taucht immer wieder geölter Stahl auf, der sich mit Holz ausgezeichnet verträgt. Zwei Stahlrohre links und rechts und dazwischen der hölzerne Handlauf einer alten Treppe – fertig ist die Garderobe. Die handgearbeitete Feuerholzlege aus Metall kaschiert einen profanen Heizkörper. Genauso wie der weiß gestrichene Holzkasten im ersten Obergeschoss, der zudem die bäuerliche Hochzeitstruhe zitiert, worin einst die Aussteuer verwahrt wurde. In einem Gästezimmer steht das Baldachin-Bett auf dem einzigen komplett original erhaltenen Holzboden, dessen Schräge mit einem Podest ausgeglichen wird. Anscheinend mit Ochsenblut imprägniert, widerstand er dem Zahn der Zeit, dem Käfer und dem Wurm. In der Küche war die Decke stark schadhaft. Man tauschte sie gegen eine verräucherte „Schwarzdecke“ aus dem Fundus. Die wurde abgewaschen, aber nicht zu Tode gereinigt, sodass die erwünschten Rauchspuren blieben. Die massiven Walnusspaneele des zentralen Küchenblocks mit Kochfeld und Spüle nehmen stimmig den Farbton der Decke auf. Und die archaischen „Bachkatzen“, vom Wasser abgeschliffene Flusssteine, verweisen auf das Mauerwerk der Küchenwand. Das raffinierte Spiel mit Versatzstücken und Reminiszenzen zieht sich durch alle Räume.
Soll das Werk die Meister loben … Wir sehen eine Treppe und eine Tür, die nirgendwo mehr hinführen, aber seit jeher zum Haus gehören und deshalb überlebten. Eine andere Tür demonstriert, wie um 1900, als Holz teuer und Handwerk billig war, schlichte Fichte mit dem Metallkamm bearbeitet wurde, um die Maserung edler Eiche nachzuahmen. Gipfel der Zitierfreude im Gäste-WC: Der alte Donnerbalken ist noch da, aber im Schacht des ehemaligen Plumpsklosetts sind nun Elektroleitungen versteckt. Die Dekoration des Hauses spricht für den sicheren Geschmack der Eigentümer, ihren Kunstverstand und ihren Mut zu Kontrasten: Epochen und Kulturen sind intelligent gemischt, Hechelmanns Trompe-l’oeil-Kulissen wurden nicht weniger einfühlsam ausgestaltet als der wieder zum Vorschein gekommene historische Hauskern oder die Appartements der Kinder. Obwohl einen gebürtigen Oberfranken, der in Mittenwald Gebirgsjäger war, nichts so schnell erschüttert, zuckte der gewiss an stolze Summen gewöhnte Wirtschaftsjurist doch zusammen, als die Rechnungen kein Ende nehmen wollten. Es lag an der schieren Größe des Projekts. „Nur den halben Hof konnte ich schließlich nicht kaufen“, sagt Peter Heckel und singt ein Loblied auf die heimischen Handwerker. Zimmermann, Schreiner, Schlosser und Steinmetz haben Kunst ins Haus gebracht: allerbeste Handwerkskunst. |